Unterschied Zielbereich und Normbereich des Blutzuckers

Sind meine Blutzuckerwerte oder ist mein Blutzuckerverlauf normal?

Diese Frage wird sowohl von Stoffwechselgesunden gestellt, welche fürchten, dass sie an Diabetes erkrankt sein könnten wie auch von allen Diabetikern unabhängig vom Typ.

Dazu zwei konkrete Beispiele aus einem deutschsprachigen Diabetes-Forum, in etwas abgeänderter Form:

Frage 1 - wahrscheinlich von einem Nicht-Diabetiker:

Sind folgende Blutzuckerwerte zu hoch?

• Morgens um 8 Uhr 30 habe ich einen Nüchtern-Blutzuckerwert von 105mg/dl.
• Vormittags ca. 2 Stunde nach dem Frühstück habe ich einen Wert von 150 mg/dl, nach 2 Brötchen, 2 Spiegeleiern, Kaffee mit Milch und 1 Joghurt.
• Nachmittag, ca. 2 Stunde nach der Mahlzeit messe ich 130 mg/dl nach einem Teller Spaghetti
• Am frühen Abend, ca. 2 Stunden nachdem ich ein Stück Schwarzwälder Torte mit Kaffee gegessen hatte, habe ich einen Blutzucker von 160 mg/dl.
• Abends um 22 Uhr, zwei Stunden nach dem Essen eines Salats und eines Biers habe ich einen Blutzucker von 110 mg/dl.

Frage 2 – von einem Diabetiker mit Insulininjektionstherapie (CT/ICT/FIT):

Hallo. Ich muss seit ein paar Wochen Insulin spritzen. Nun habe ich eine Frage: Wie hoch sollten gut eingestellte Blutzuckerwerte im Idealfall sein?

 

Zuerst habe ich eine Frage an dich: Was würdest du den beiden antworten?

Solche Fragen können grundsätzlich mit zwei verwandten Konzepten beantwortet werden, nämlich dem Norm- und Zielbereich.

Vielleicht hast du schon einmal eine solche oder ähnliche Grafik gesehen:

Abbildung: Blutzuckerverlauf über 24 Stunden

Diabetikern, welche ihren Blutzucker mit einem Sensor messen (mit einem sog. CGM) sind sie auf jeden Fall vertraut.

Was du hier siehst, ist zum einen der Blutzuckerverlauf über den Tag und zum anderen einen Zielbereich. In diesem Fall entspricht der Zielbereich dem Normbereich.

Was ist damit gemeint?

Der Normbereich ist der Bereich, wo sich der Blutzucker eines gesunden Menschen bewegt, das heisst zwischen 70 mg/dl (3.9 mmol/l) und 180 mg/dl (10 mmol/l). Die Mittelachse liegt bei 125 mg/dl (6.95 mmol/l).

Manchmal wird noch ein oranger und roter Bereich angegeben. Im orangen Bereich darf sich der Blutzucker nur kurzzeitig und im roten Bereich überhaupt nie befinden, da sonst entweder eine diabetischen Ketoazidose oder eine Hyperglykämie drohen, die im schlimmsten Fall tödlich enden können. Der orange Bereich liegt übrigens zwischen 3 und 3.9 mmol/l (54 bis 70 mg/dl) und zwischen 10 und 13.9 mmol/l (180 und 240 mg/dl). Alle Werte darunter bzw. darüber liegen im roten Bereich.

Nun wird oft auch vom Zielbereich gesprochen. Der Zielbereich ist der Wert, welcher ein Arzt seinem Patienten vorgibt. Je besser ein Diabetiker eingestellt ist, desto näher bewegt sich der Zielbereich auf den Normbereich zu. Bei optimal eingestellten Diabetikern ist der Ziel- gleich dem Normbereich. Es macht zum Beispiel keinen Sinn, einem schlecht eingestellten Diabetiker gleich die Normwerte zum Ziel zu setzen. Erstens wird er die entsprechenden Werte nicht erreichen und zweitens wird er dadurch nur frustriert, was einer guten Diabetestherapie abträglich ist.

Kannst du jetzt die vorher gestellten Fragen beantworten?

Antwort zur Frage 1: Sämtliche angegebenen Werte befinden sich im Normbereich eines Gesunden und sind somit «normal», oder anders ausgedrückt, dieser Mensch hat mir Sicherheit kein Diabetes (sofern er keine Tabletten oder Insulin zur Blutzuckerkorrektur verwendet).

Antwort zur Frage 2: Diese wurde nun mit dem Normbereich erklärt. Ob aber die Zielwerte des Fragestellers ebenfalls dem Normbereich entsprechen, ist mehr als fragwürdig. Bei «Insulin-Anfängern» ist der Langzeitblutzucker meist zu hoch, was auch bedeutet, dass sich die Blutzuckerwerte zeitweise ausserhalb des Normbereichs bewegen. Der Zielbereich wird vom Diabetologen abhängig von HbA1c-Wert des «Anfängers» definiert.

Zusammengefasst kann man sagen, solange sich der Blutzucker innerhalb des Normbereichs bewegt ist dies „normal“. Ein Stoffwechselgesunder muss sich somit keine Sorgen machen, dass er an Diabetes erkrankt ist und ein Diabetiker muss nichts an seiner Therapie ändern. Denn wenn sich die Blutzuckerwerte zu mehr als 90% im Normbereich bewegen, drohen keine Folgeerkrankungen. Mehr dazu findet ihr in meinem Artikel „HbA1C und TIR als Indikatoren für das Gesundheitsrisiko“.